Verbindung mit Sprengkraft

Die Politik streitet darüber, wie eng der Bund mit Universitäten kooperieren darf. Die TU Freiberg zeigt, was heute schon möglich ist. 

veröffentlicht in der Financial Times Deutschland (†)

Gerhard Heide setzt seinen Helm auf und knipst die Stirnlampe an. "Glück auf!", sagt er, "Glück auf!", grüßt ein Mitarbeiter zurück und schließt die Tür des Metallkorbs. Dann rauscht der Fahrstuhl in die Tiefe, ins Lehrbergwerk Reiche Zeche.
Einst wurde hier Silber gefördert, heute befindet sich 150 Meter tief unter dem Erzgebirge eine der ungewöhnlichsten Forschungsstätten der Welt. Heide stapft einen schlammigen, spärlich beleuchteten Weg entlang und öffnet eine dicke Tür. Dahinter liegt das Schockwellenlabor der Technischen Universität (TU) Freiberg. Mit bis zu 20 Kilogramm Sprengstoff kann hier ein Druck von 300 Gigapascal erzeugt werden - beinahe so viel, wie im Inneren der Erde herrscht. "Durch die Versuche, die wir hier machen, können wir Stoffe herstellen, die härter sind als Diamant", sagt der Professor für Mineralogie. Zum Einsatz kommen sie etwa in extrem harten Bohrköpfen oder beim Polieren von Gläsern und Linsen für Fotoapparate und Ferngläser.

Die TU Freiberg war schon immer etwas Besonderes. 1765 gegründet ist sie die älteste Bergbau- Universität der Welt. Rechtzeitig reagierte sie auf das Zechensterben - und forscht heute vor allem in den Bereichen Hightech-Materialien, Gewinnung und Recycling von Rohstoffen. "Wir haben früh erkannt, dass das einmal ein ganz wichtiges Thema sein wird", sagt Michael Stelter, Prorektor für Forschung. Auch bei der Finanzierung geht die TU eigene Wege. Das Schockwellenlabor wurde von einer privaten Stiftung finanziert, mehr als die Hälfte des wissenschaftlichen Personals der Uni wird über Drittmittel bezahlt. 2010 warb die Hochschule rund 46 Mio. Euro ein - fast die Hälfte des gesamten Haushalts. Und in der Forschung kooperiert sie mit dem bundesfinanzierten Helmholtz-Zentrum.

Die Frage, wie eng Universitäten mit Bundeseinrichtungen zusammenarbeiten dürfen, ist derzeit das große Streitthema in der Wissenschafts- und Bildungspolitik. Dem Grundgesetz zufolge ist Bildung Ländersache, weshalb sich der Bund eigentlich nicht an der Finanzierung von Hochschulen beteiligen darf. Doch während die Länder darüber streiten, ob man das Kooperationsverbot nicht besser abschaffen sollte, haben die Freiberger ihren eigenen Weg gefunden. Seit August 2011 wird nur fünf Minuten vom Campus entfernt das neue Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie aufgebaut - ein Gemeinschaftsprojekt der TU mit dem Dresdner Helmholtz-Zentrum. Der Bund fördert das Projekt mit bis zu 5 Mio. Euro jährlich. Das geht, weil ein Institut unterstützt wird, nicht die Uni selbst. "Die räumliche Nähe zwischen Uni und Institut ist aber natürlich gewollt", heißt es im Bundesbildungsministerium dazu vielsagend. Der Fall zeigt, dass Kooperationen zwischen Unis und staatlichen Forschungszentren auch nach geltender Rechtslage möglich sind. Vorausgesetzt, der Wille ist da. Prominentestes Beispiel ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das 2006 aus der Fusion der Technischen Hochschule und dem örtlichen Helmholtz-Zentrum hervorging und als Prototyp einer akademischen Bund-Länder-Ehe gilt.

So weit wie die Badener wollen die Sachsen zwar nicht gehen. Doch die Ressourceninitiative zeigt, wie viel Kooperation schon heute möglich ist, auch ohne formellen Zusammenschluss. Jens Gutzmer, der Leiter des Instituts, gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er von den geplanten Projekten erzählt. Etwa, wie sich das seltene Element Indium aus Flachbildschirmen zurückgewinnen lässt. Oder die Entwicklung neuartiger Solarkollektoren. "Mit ihrer Kompetenz, ihrer Infrastruktur und ihrem Personal ist die Kooperation mit der Uni für uns lebensnotwendig", sagt Gutzmer, der bis zu seinem Wechsel an das Helmholtz-Institut selbst als Professor an der TU gelehrt hat.

Auch die TU verspricht sich von der gemeinsamen Forschung mit dem Helmholtz-Institut viele Vorteile. So verfügt das zu 90 Prozent vom Bund finanzierte Forschungsinstitut über einen Haushalt, mit dem sich Projekte realisieren lassen, die die Universität allein nie stemmen könnte. Dadurch hoffen die Sachsen, mehr renommierte Wissenschaftler ins Erzgebirge locken zu können. Noch besser, so die Unileitung, wäre allerdings, wenn die Politik sich zu einer Aufhebung des Kooperationsverbots durchringen könnte, denn dann könnte der Bund zusätzlich zu den heutigen Möglichkeiten ausgewählte Hochschulen finanziell unterstützen.

Die Freiberger machen sich wegen ihres klaren Profils und ihres guten Rufs durchaus Hoffnungen, zu den förderungswürdigen Unis gezählt zu werden. "Wir könnten uns sehr gut vorstellen, Bundesuniversität zu werden", sagt Prorektor Stelter. "Mit dem Ziel, den Ressourcenbereich zu stärken - und das in enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Institut."